die Russen vor der Tür / Sendlinger Nächte sind lang

 | Foto: © Werner Pietschmann
...das waren noch Zeiten... damals, im Kalten Krieg... als die Russen vor der Tür standen... wer erinnert sich nicht gerne daran... ja ihrcnicht, ihr seit ja viel zu jung, euch sagt das ja gar nix mehr... junges Gemüse... aber ich, mei, ich könnt euch stundenlang davon erzählen... von den Russen... so wie vor wenigen Viertelstunden... da waren sie wieder da... die Russen! Einer schrie auf der Straße irgendwelchecParolen mit Hilfe und Polizei und zwei andere (was ist eigentlich die weibliche Form von andere? anderes oder anderinnen???), also zweianderinnen gingen schimpfend und russisch handyfonierend die Straße lang, eine drehte sich mal kurz um und meinte noch auf deutsch irgendwascvon dukommsthiernichrein oder so und dann verschwanden beide im Haus gegenüber. Der eine plärte noch weiter und verstummte dann irgendwann.cDiese Russen. Kurz darauf (und das ist jetzt ausnahmsweise mal kein Witz oder irgendwie so geschrieben) war die ganze Straße voll mit Polizeiautos. Normale Streifenwagen mit Streifen (darum auch Streifenwagen genannt), Zivilstreifen ohne Streifen, aber alle mit schönen blauen Blinklichtern. Halt alles was die Sendlinger Polizei so aufbieten kann. Echt der Hammer. Das gabs in den 150 Jahren in denen ich jetzt hier wohne noch nie. Zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen waren bisher dass höchste der Gefühle. Der größte Sendlinger Polizeieinsatz aller Zeiten und sicher total alternativlos. Um auch einmal diese Wortmüllphrasen mit Schwachsinnwürze in einem Text unterzubringen (ich geh mir nachher auch drei mal die Hände waschen).

Wo war ich, genau, bei den Russen. Eher gesagt bei DEM Russen. Voll verständlich war der nicht (mehr), irgendwas meinte er von vier Jahren nachdem ihn die Hundertschaft von Unifoirmierten wieder auf seine drei Beine gestellt hatte. Keine Ahnung ob die sich alle kannten aber jeder dutzte jeden (Gruß an meine liebe Frau Staatsanwältin: ist das Dutzen eines Polizisten eine Ordnungswidrigkeit oder erfüllt das schon den Sachverhalt/Tatbestand einer Straftat? Ich konnte das auf die Schnelle im Sartorius nicht nachschlagen). Bis sich dann die gesammte Meute mit ihren 203 Beinen aufmachte das Haus gegenüber zu stürmen. Das war da drin sicher ein Gedränge wie beim Winterschlussverkauf. Unglaublich was in so ein Haus alles rein geht. Naja, irgendwann nach mehr als einer halben Weile (mittlerweile wars schon nach 4) kamen alle 203 Beine wieder raus auf die Straße und der Russe fing wieder an zu meutern. Er wollte sein Handy zurück und beschimpfte die Einsatzkräfte als Nazis (Sartorius???) weil sie einem Behinderten das Handy weggenommen hatten. Kein Scherz.

Den ersten Polizisten wurde es dann schon zu blöd und sie trollten sich. Weiter gings mit den Nazischimpkanonaden bis ein genervter Hausbewohner mit einem beherzten "RUHE ICH WILL SCHLAFEN" wenigstens für einen etwasgemäßigteren Lautstärkepegel sorgte. Die polizeilichen überlegungen dem Russen eine Sonderfahrt in einem BMW zu spendieren veranlassten diesen seine Beine in die Hand zu nehmen und zur Verwunderung aller konnte der Störenfried mit zwei Beinen plötzlich besser gehen als vorher mit drei. Ein Wunder: Lahme können wieder gehen. So etwas steht auch in der Bibel: Matthäus 11/5. Und damit das auch so bleibt bekam der Genehsene noch eine Polizeiautoeskorte mit auf den Fußweg. Keine Ahnung wohin. Und da Sendlinger Polizisten wohlerzogene Bubis sind (da darf man auch mal falsch parken) entschuldigte sich einer von ihnen noch mit lauter, klarer und deutlicher Stimme bei den genervten Anwohnern für die Ruhestörung und meinte noch: "Er war etwas betrunken". Und ich meine in der Dunkelheit der Nacht erkannt zu haben dass er dabei selber etwas schmunzeln musste. Denn "etwas" war schon etwas milde ausgedrückt. Übrigens, die Einsatzleitung hatte offenbar eine Frau. Meine Herren!!! Mit so einem Giftpotenzial möchte ich keine zu Hause haben.

So, und jetzt ist wieder alles ruhig. 5 Uhr 32. Die Russen sind weg, die Polizei auch, die von ganz oben kann sich wieder mit ihrem Hosentaschenhund auf die Straße trauen und Gassi gehen (hoffentlich bevor der da oben alles vollgebieselt hat) und ich kann nach diesem Live-Krimi wieder einmal nicht schlafen. Drum sitz ich jetzt wieder hier am Computer und schreib wieder ne eMail. Obwohl ich das gar nicht mehr machen wollte. Dann nehm ich das halt als Vorsatz für das Neue Jahr. Drum geniest diese Zeilen, es könnten meine letzten sein.

Liebe Grüße aus der Straße des Anführers des bayerischen Volksaufstandes (=Terrorist) von 1705, Johann Clanze (enthauptet am 29.01.1706 am Münchner Marienplatz) und einen schönen Sonntag. Werner Pietschmann | 30.12.2012